In den letzten 20 Jahren ist der Bundestag immer größer und teurer geworden. Mit dem jetzigen Wahlrecht würden mit jeder Wahl immer mehr Abgeordnete ins Parlament einziehen. Die kürzlich beschlossene Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition löst diese Probleme dauerhaft. Damit ist der Ampel-Koalition ein Durchbruch gelungen, der in 20 Jahren mit CDU/CSU an der Regierung nicht möglich war. Doch weil aktuell viel über die Reform debattiert wird, lud die SPD Mering zu einem Infoabend darüber ein. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrike Bahr und der Mathematiker Friedrich Pukelsheim von der Universität Augsburg, Mitglied der Wahlrechtskommission, stellten die Tatsachen und Fakten zur Reform vor.
Nach einer kurzen Begrüßung durch Sandra Gerold, Vorstandsmitglied der SPD Mering und Vorsitzende des Kreisverbands Aichach-Friedberg, räumte Ulrike Bahr mit den Vorurteilen auf, die vor allem von der CSU gestreut werden. „Das Wahlrecht wird einfacher und gerechter, denn alle Fraktionen sind in gleichem Maße von der Verkleinerung betroffen“, betonte Bahr. Alle Parteien und alle Bundesländer werden absolut gleichbehandelt. Im Gegenteil sei es nun gerechter, dass die CSU nicht mehr bevorzugt behandelt werde.
Aktuell sitzen 736 Abgeordnete im Bundestag, die Reform schafft eine Obergrenze von 630 Parlamentariern. Alle Wahlkreise bleiben erhalten. Überhang- und Ausgleichsmandate werden abgeschafft. Zudem gilt die 5-Prozent-Hürde ohne Grundmandatsklausel. Das bedeutet: Bleibt eine Partei unter 5 Prozent, zieht sie auch dann nicht ein, wenn einer oder mehrere ihrer Kandidat:innen in ihren Stimmkreisen die meisten Stimmen erhalten.
*Fun Fact: Diese Regelung, die nun von der CSU kritisiert wird, gilt ebenso in Bayern. Und es waren in der Wahlrechtskommission die Sachverständigen von CDU/CSU, die die Grundmandatsklausel kritisiert hatten, sodass sich die Ampelkoalition letztlich gegen sie entschied.
Im Anschluss berichtete Friedrich Pukelsheim aus der Arbeit der Bundestagskommission, der er als sachverständiges Mitglied angehört. So erhielten die Gäste einen Einblick in den Reformprozess. Die Verteilung der 630 Sitze folge künftig strikt dem Verhältnis der Zweitstimmenergebnisse, erklärte der Mathematiker. Zuerst werden die Sitze den Parteien zugeteilt. Für jede Partei werden dann die ihr zustehenden Sitze an die Landeslisten weitergereicht. Zuletzt werden die Sitze, die auf eine Partei in einem Land entfallen, mit Kandidat:innen der Partei besetzt. Dabei kommen vorrangig die Bewerber:innen zum Zuge, die in ihren Wahlkreisen die meisten Erststimmen erhalten haben. Die verbleibenden Sitze werden - wie bisher auch - aus der Landesliste der Partei besetzt. Sollte die Partei nach der Zweitstimme weniger Sitze haben als „Gewinner“ bei den Erststimmen, fallen diejenigen raus, die am wenigsten Erstimmen einer Landesliste erhalten haben.
Was sich aufs Erste sehr kompliziert anhört, ist in der Umsetzung für die Wähler:innen ganz einfach. Die Kernstimme ist die Zweitstimme. Diese entscheidet über die Zusammensetzung der Parteien im Bundestag. Mit der Erststimme kann er eine:n bestimmte:n Kandidat:in unterstützen, der oder die bei genügend Zuspruch Vorrang vor der Landesliste genießt.
Die Reformkommission sprach sich darüber hinaus mehrheitlich für eine Verlängerung der Legislaturperiode des Bundestages von bislang vier auf fünf Jahre aus. Eine Schnellabstimmung unter den anwesenden und digitalen Teilnehmern des Infoabends ergab eine deutliche Zustimmung für eine Verlängerung. Eine Entscheidung dazu ist aber noch nicht gefallen.
Hinsichtlich der Geschlechterparität ist es im amtierenden Bundestag schlecht bestellt. Nur vierunddreißig Prozent der Abgeordneten sind Frauen. Die Kommission wird in ihrem Abschlussbericht ausführliche Überlegungen auflisten, mit welchen politischen oder gesetzlichen Initiativen der Frauenanteil erhöht werden könnte. Leider gibt es in der Ampelkoalition dazu keine einheitliche Meinung. SPD und GRÜNE wollen mit einem Paritätsgesetz auf mehr Gleichstellung hinarbeiten, wohingegen die FDP ganz auf Freiwilligkeit setzt. Jedenfalls besteht Einigkeit unter den Parteien, auch denen der Opposition, dass mehr Parität ein politischer Auftrag ist, der alle angeht.